Delmenhorster Tennishoffnungen
Mit Linus Heubach, Lasse Kubica und Jonte Mysegaes spielen drei große Talente beim TC Blau-Weiß
Delmenhorst. Gleich drei große Talente schlagen derzeit für den TC Blau-Weiß auf einem Niveau auf, dass es seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, nicht an der Delme gab. Tennis-Chefcoach Julian Thomas sieht großes Potenzial bei Linus Heubach (11), Lasse Kubica (10) und Jonte Mysegaes (9). Natürlich sind die drei noch sehr jung, es kann noch viel passieren in der Pubertät. Doch es besteht große Hoffnung bei den Blau-Weißen, dass die Nachwuchsspieler in den kommenden Jahren in der Jugend und bei den Herren für Furore sorgen.
Julian Thomas trainiert seit 40 Jahren die besten Spieler in Delmenhorst. Der 61-Jährige kam 1982 als Spieler und Trainer aus England an die Delme. In seiner Jugend gehörte Thomas mehrere Jahre lang zu den Top-Ten in Großbritannien, er erhielt auch ein Tennis-Stipendium aus den USA: „Ich bin aber nur 1,70 Meter groß, mir war daher klar, dass ich kein Profi werde. Also habe ich mich für die Trainerlaufbahn entschieden“, berichtet er. Delmenhorster und Ganderkeseer spielten Anfang der 80er-Jahre regelmäßig Turniere in England, so kam der Kontakt zu Stande.
In Delmenhorst nahm Thomas unter anderem Max Raschke und Patrick Jersch unter seine Fittiche. Diese beiden Mitte der 80er-Jahre geborenen Akteure waren die beiden wohl besten männlichen Spieler, die er trainierte, sagt der Brite. Ein paar Jahre später stand seine Tochter Sally zur Schwelle an den Profibereich. Sie rangierte in der Jugend in den Top 15 in Deutschland und auch den Top 50 in Europa. „Es war nicht einfach, sie als Vater zu trainieren. Heute können wir da aber drüber lachen“, erinnert sich Julian Thomas. Nun kommen Talente nach, die durchaus in die Fußstapfen von Raschke, Jersch oder Sally Thomas treten können.
Heubach, Kubica und Mysegaes sollen die nächsten Top-Herrenspieler bei den Blau-Weißen werden. Linus Heubach steht auf Platz 28 der Deutschen Rangliste, in Niedersachsen ist er vorne. Lasse Kubica gehört zum erweiterten Landeskader Niedersachsens und Jonte Mysegaes hat gerade beim Orange Cup gewonnen. „Er ist beim Midcourt-Tennis derzeit die Nummer eins in Niedersachsen“, sagt Julian Thomas. Theoretisch dürfen sie mit zwölf Jahren bei den Herren spielen, der TC Blau-Weiß startet aktuell in der Verbandsliga. „Die drei sind absolute Toptalente. Die Qualität haben sie auf jeden Fall“, meint Thomas. Für die Verbandsliga reiche es mit zwölf jedoch aller Voraussicht nach noch nicht, da fehle die körperliche Kraft. Derzeit gehe es vor allem um Technik. „Eigentlich muss man mit 13 Jahren fertig mit der Technik sein, dann kommen weitere Faktoren dazu“, skizziert Thomas den Werdegang.
Die Talente trainieren dreimal in der Woche, sind am Wochenende oft bei Punktspielen oder zuletzt vermehrt bei Turnieren unterwegs. „Momentan ist das genug. Sie sind noch in der Entwicklung und werden körperlich robuster. Je älter sie werden, desto mehr müssen sie – je nachdem, welche Ziele sie haben – dann mehr machen“, weiß Thomas. Er habe bei seiner Tochter Gegnerinnen gesehen, die schon in frühen Jahren jeden Tag vier Stunden trainierten. „Da muss man die Kinder aber auch etwas schützen. Mit 13,14 oder 15 sind sie dann mental stärker, da kann man dann etwas mehr belasten“, sagt Thomas. Wichtig sei auch, dass junge Tennisspieler parallel noch etwas Mannschaftssport betreiben, um den Teamgedanken zu lernen. „Aber irgendwann müssen sie sich natürlich für einen Sport entscheiden, wenn sie ein gewisses Niveau erreichen“, sagt der Tenniscoach.
Heubach, Kubica und Mysegaes zeichnen sich laut Thomas dadurch aus, dass sie neben ihrem Talent vor allem viel Lust für den Sport mitbringen und viel Zeit investieren. Neben Gemeinsamkeiten haben die drei verschiedene Stärken und Schwächen.“Man kann schon sehen, wer welche Qualitäten hat. Linus hat für sein Alter eine unheimlich schnelle Vorhand. Da kann er richtig Druck mit machen. Lasse ist sehr beweglich, andere Spieler bei der Landesmeisterschaft spielen besser Tennis, aber er ist extrem schnell. Jonte hat jetzt schon einen guten Aufschlag“, berichtet Thomas. Alle drei haben natürlich noch ein paar Schwächen. „Das ist Aufgabe des Trainers, diese zu verbessern“, sagt Thomas.
Ob die drei intensiv beim Tennis und später auch in der Delmestadt bleiben, kann niemand voraussehen. „Die Leute bleiben nicht unbedingt in Delmenhorst, sie ziehen für die Arbeit oder das Studium weg. Delmenhorst ist nunmal keine Großstadt. Die Gegner in höheren Ligen kommen fast alle aus großen Städten, da gibts dann mehr Auswahl an Spielern“, erklärt Thomas. Er hofft, dass seine Talente in der Region bleiben und dann bei den Herren für Blau-Weiß spielen, vielleicht sogar zusammen ein eigenes Team bilden. „Ich hoffe, dass sie ihren Weg gehen. Vielleicht können sie Regionalliga spielen. Das wäre eine tolle Erfahrung, auch wenn man nicht Profi wird. Die Jungs entwickeln sich, werden selbstbewusster durch Erfolge“, sagt Thomas. Das sei auch bei anderen Talenten wie Raschke oder Jersch so gewesen.
In den Profibereich schafft es kaum jemand, der Weg ist enorm hart und teuer. „Ich kenne Familien, die haben Haus und Hof verkauft, um diesen Weg einzuschlagen und dann hat es doch nicht geklappt. Wenn es so intensiv wird, dass man quasi acht Stunden am Tag mit Tennis verbringt, dann ist das kein Hobby mehr, sondern ein Beruf. Viele haben da auch keine Lust drauf“, erzählt Thomas. Der 61-Jährige berichtet von einem seiner Bekannten, einem Amerikaner: „Der stand so auf Weltranglistenposition 300. Wenn es bei Turnieren mal schlecht lief, musste er erstmal drei Monate Trainerstunden geben, um sich überhaupt leisten zu können, wieder auf Turnieren zu spielen“, berichtet Thomas.
Doch zurück zur Lage in Delmenhorst: Derzeit schlagen nicht nur die drei besonders talentierten Jungs für den TC auf, sondern generell mehr Spieler in allen Altersbereichen. „In der Corona-Zeit ist das tatsächlich so, dass Leute zu Einzelsportarten zurückkommen. Wir haben momentan einen Boom“, berichtet Thomas. Um rund 20 Prozent stiegen die Mitgliederzahlen des Vereins auf etwa 300. Für Vereine ist es wichtig, sagt Thomas, eine breite Basis zu haben, um dann auch Spitzenspieler zu unterstützen.
Was vielen Vereinen fehlt, ist die Alterklasse der 30- bis 40-Jährigen. In den 80ern, als Steffi Graf und Boris Becker die Superstars im Tennis waren, kamen viele Deutsche zum Tennis. „Die sind jetzt entsprechend alt. Danach kam eine Lücke. Tennis lief weniger im Fernsehen, das Interesse sank“, sagt Thomas. Neben Corona sorge jetzt auch Mischa Zwerew für Schwung. „Er ist in den Top fünf. Der Olympiasieg hat viel Aufmerksamkeit geweckt. Und wenn er erstmal ein Grand Slam gewinnen sollte, steigt das Interesse an Tennis in der Bevölkerung weiter“, ordnet Thomas ein.
Er selbst spielt bei den Herren 55 des TC Blau-Weiß, die zuletzt zweimal Vizemeister in Norddeutschland wurden. „Ich mache liebend gerne Punktspiele und will auch vorangehen für die Nachwuchsspieler. Wenn die mich irgendwann zum ersten Mal schlagen können, wissen sie, dass sie gut sind. Das ist auch deren Reiz. Ich bin froh, dass ich noch soviel Lust zum Spielen hab. Und ich habe Glück, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte. Ich hoffe, ich kann das auf die Jungs und Mädchen übertragen und sie für Tennis begeistern“, sagt Thomas.
Das Grundfeuer ist bei Heubach, Kubica und Mysegaes auf jeden Fall entfacht. Wie weit sie kommen können, hängt von vielen Faktoren ab. „Man muss natürlich die körperliche Entwicklung abwarten und auch schauen, was sie mental abkönnen“, blickt Thomas voraus. Die Hoffnung ist auf jeden Fall groß, dass die drei Talente noch viele Pokale nach Delmenhorst holen und später bei den Herren in höheren Ligen aufschlagen.